VW Lupo 3L TDIDauerfreundschaft über 555.555 km

Gregor Schulz

 · 04.04.2023

VW Lupo 3L TDI: Dauerfreundschaft über 555.555 kmFoto: Stephan Lindloff
Als weltweit einzige Zeitschrift unterzog GUTE FAHRT den VW Lupo 3L TDI vor fast 25 Jahren einem Dauertest.
Als weltweit einzige Zeitschrift unterzog GUTE FAHRT den VW Lupo 3L TDI vor fast 25 Jahren einem Dauertest. Heute hat der einst gefeierte Spritsparweltmeister über eine halbe Million Kilometer auf dem Zähler

Ist das ein up?“ Diese Frage kam in den letzten Jahren immer wieder von interessierten Zeitgenossen. Es muss wohl am Kennzeichen liegen, das allerdings nichts mit dem aktuell kleinsten Volkswagen zu tun hat, denn es ziert den flashroten Lupo 3L TDI seit inzwischen 21 Jahren. Da war an den up! noch nicht zu denken. Die Frage ist ein Beweis dafür, wie gut der Lupo gealtert ist. Auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Premiere wirkt er modern genug, damit ihn Menschen, die nicht allzu tief im Thema Auto stecken, für ein aktuelles Modell halten. Dabei ist das damals so fortschrittliche Design nicht einmal das wirklich Besondere am Lupo 3L TDI. Die wahren Innovationen stecken unter der Haut aus Stahl und Aluminium, wobei dieser Materialmix an sich damals schon für Aufsehen sorgte. Das Kürzel 3L in der Modellbezeichnung steht für drei Liter. Gemeint ist damit nicht etwa der Hubraum, sondern der Verbrauch. Einen Durchschnittsverbrauch von drei Litern – genauer gesagt 2,99 – Diesel auf 100 Kilometern versprach Volkswagen im Jahr 1998 und nannte das Ganze Niedrigenergiefahrzeug. Abgesehen vom Ein-Liter-Auto XL1, das ab 2014 in homöopathischen Dosen in wenige Kundenhände gelangte, ist der Lupo bis heute das sparsamste Automobil, das Volkswagen je gebaut hat.

Heute hat der einst gefeierte Spritsparweltmeister über eine halbe Million Kilometer auf dem Zähler
Foto: Stephan Lindloff

Ein 25 Jahre alter Verbrauchsrekord

Rufe nach spritsparenden Autos waren erstmals während der Ölkrise 1973 so richtig laut geworden. In der Mittelklasse galten 15 Liter Verbrauch bis dahin als völlig normal. Weitere Impulse lieferte das Waldsterben in den Achtzigern, auf das der Katalysator eine erste Antwort gab. Das Schlagwort vom Drei-Liter-Auto wurde schließlich in den Neunzigern populär. Die Umweltorganisation Greenpeace präsentierte 1996 einen ingeniösen Prototyp auf Basis des Renault Twingo, der es auf 3,3 Liter Verbrauch brachte. Die großen Hersteller zeigten aber wenig Interesse, denn weniger Verbrauch konnte nur durch den Einsatz aufwendiger und somit teurer Technik erkauft werden. Ein aufgeladener Motor in einem Kleinwagen, nur um ihn effizienter und nicht etwa schneller im Sinne von sportlicher zu machen? Damals undenkbar, heute normal. Mitte der Neunziger war das mit Abstand sparsamste Auto auf dem deutschen Markt der Citroën AX mit 1,5-Liter-Wirbelkammer-Diesel und 54 PS. 4,5 Liter im Drittelmix attestierten die Franzosen dem Kleinwagen.

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Nicht schlecht, aber noch ein ganzes Stück von der magischen Marke von drei Litern auf 100 Kilometer entfernt. Außerdem war der AX ein konstruktives Kind der Achtziger. Airbags, ABS, Servolenkung? Fehlanzeige. Dem gesteigerten Sicherheits- und Komfortbedürfnis der Neunziger wurde der betagte kleine Franzose definitiv nicht gerecht. Immerhin lebte der leichtgewichtige AX vor, dass geringer Verbrauch immer etwas mit wenig Gewicht zu tun hat, denn der AX wog nur 790 Kilogramm. Dann trat Volkswagen auf den Plan – oder besser gesagt Dr. Ing. h.c. Ferdinand Piëch, seit 1993 Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG und großer Erneuerer am Mittellandkanal. Unter Piëch startete VW nicht nur eine Qualitätsoffensive und verleibte dem Konzern Marken wie Bentley oder Lamborghini ein. Piëch wollte Ausrufezeichen in jeglicher Hinsicht setzen. Dazu gehörte neben einem Bugatti mit 1.001 PS auch das Drei-Liter-Auto in Großserie. Als er einmal gefragt wurde, warum sich Volkswagen nicht wie andere Hersteller in der Formel 1 engagiere, antwortete er, dass das Drei-Liter-Auto die Formel 1 von Volkswagen sei. Eine Herausforderung, die man bereit war anzunehmen, um besser zu sein als alle anderen.

Niedrigenergiefahrzeug statt Formel 1

1998 war es soweit. Das erste käufliche Drei-Liter-Auto stand auf dem Pariser Automobilsalon. Die technische Ausgangsbasis des Sparwunders waren der Lupo und dessen spanischer Bruder Seat Arosa, der bereits im Frühjahr 1997 erschienen war und auf der verkürzten Bodengruppe des damaligen Polo 6N basierte. Um dem Kleinwagen das Sparen zu lehren, kam allerlei Hightech zum Einsatz. Was heute im Automobilbau weit verbreitet und bei Kleinwagen beinahe Standard ist, war damals eine Novität bei Volkswagen: der Dreizylinder. Streng genommen handelt es sich beim Motor des 3L um einen Diesel-Vierzylinder aus Golf und Co., dem ein Zylinder fehlt, und der dank weniger Bohrung und Hub noch einmal weniger Volumen hat – nämlich nur 1191 Kubikzentimeter. Kopf und Block bestehen aus Leichtmetall, während bei den größeren Vierzylinder-Dieseln der Block noch bis ins Jahr 2000 ganz traditionell in Grauguss gefertigt wurde. Die Diesel von Volkswagen waren damals Direkteinspritzer. Jeder Zylinder hat sein eigenes Einspritzelement, die sogenannte Pumpe-Düse-Einheit. Keine herkömmliche Einspritzdüse, sondern quasi eine komplette kleine Einspritzanlage. Zusätzlich gibt es einen Abgasturbolader von Garrett, der mit einem bar Ladedruck für 61 PS sorgt.

Über ein halbes Dutzend Mal war der Lupo von diesen Seiten bereits Thema in GUTE FAHRT und anderen Zeitschriften. Los ging’s im April 2000, das damalige Kennzeichen: ES-GF 5000.Foto: Stephan LindloffÜber ein halbes Dutzend Mal war der Lupo von diesen Seiten bereits Thema in GUTE FAHRT und anderen Zeitschriften. Los ging’s im April 2000, das damalige Kennzeichen: ES-GF 5000.

61 oder 45 PS – der Knopf entscheidet

Die stehen aber nur zur Verfügung, wenn der Fahrer es will, denn alternativ gibt es den effizienteren ECO-Modus, der über einen Knopf in der Mittelkonsole aktiviert wird, und in dem die Leistung auf 45 PS begrenzt ist. Und nicht nur das: Im ECO-Betrieb kuppelt der Lupo aus, wenn man vom Gas geht. „Segeln“ heißt es im motorsportlichen Fachjargon, wenn der Fahrer noch vor dem optimalen Bremspunkt vom Gas geht, um ohne nennenswerten Geschwindigkeitsverlust zu rollen. Das Ziel: Kraftstoff sparen. Auch beim Lupo geht es darum, die vorhandene kinetische Energie auszunutzen. Bemerkenswert auch die Start-Stopp-Automatik. Über sie machte sich damals so mancher Tester lustig, nicht ahnend, das diese Technologie zwei Jahrzehnte später aus Neuwagen nicht wegzudenken sein würde. Auch das Fünfgang-Getriebe stand damals im Kreuzfeuer der Kritik. Es ist im Prinzip das gleiche wie in einem Polo oder Golf der Neunziger Jahre, allerdings mit dem Unterschied, dass die VW-Ingenieure es automatisiert haben. Der elektro-hydraulische „Gangsteller“ übernimmt Kuppeln und Schalten, am Steuer fühlt es sich an wie Automatik. Die anfänglichen Schaltpausen – der Grund für die kritischen Stimmen – trainierte VW dem Lupo mit Hilfe einer neuen Software ab.

Am Armaturenbrett mit seinem Noppenprofil ist die Zeit spurlos vorbeigegangen. Auch die Stoffbezüge sehen noch fast aus wie neu
Foto: Stephan Lindloff

Deshalb ist das charakteristische Nicken der Passagiere beim Schaltvorgang auch längst Geschichte. „Direktschaltgetriebe“ nannte VW das automatisierte Schaltgetriebe damals. Kurz vor dem Auslaufen der Lupo-Produktion 2004 nutzte Audi, genau wie später auch die anderen Konzernmarken, diese Wortschöpfung für das Doppelkupplungsgetriebe, kurz DSG. Noch ein paar Worte zum unverzichtbaren Leichtbau: Durch Hauben und Türen aus Leichtmetall speckte der 3L deutlich ab. Dazu kamen Details wie ein Lenkrad aus einer Magnesiumlegierung oder Leichtbau-Sitzgestelle. Damit wiegt der 3L satte 145 kg weniger als ein Saugdiesel-Lupo. Als weltweit einzige Zeitschrift unterzog GUTE FAHRT den Drei-Liter-Lupo damals einem Dauertest über 100.000 Kilometer – und ermittelte einen Durchschnittsverbrauch von 4,2 Litern. Seit Mai 2002 gehört der Dauerläufer aus dem Redaktionsfuhrpark dem Autor dieser Zeilen. Und der Kilometerzähler zeigt 555.555 Kilometer an.

Zwischen Motorabdeckung und Batterie gut zu erkennen sind Druckspeicher und Hydraulikölbehälter des Gangstellers
Foto: Stephan Lindloff

Einen besseren Beweis für die Haltbarkeit des kleinen Sparwunders gibt es wohl kaum. Und für seine uneingeschränkte Langstreckentauglichkeit, denn ohne die wäre diese Laufleistung wohl kaum zustande gekommen. Über 450.000 Kilometer in 21 Jahren – das macht gut 21.000 Kilometer im Jahr. Inzwischen ist der Lupo allerdings mit einem Spenderherz unterwegs: Bei exakt 531.466 Kilometern verschluckte der erste Motor ein Ventil. Da Volkswagen die Aufarbeitung des Dreizylinders durch die Werkstatt nicht vorgesehen hat, steckt jetzt ein Gebrauchtmotor mit unbekannter Laufleistung unter der Haube. Im Rahmen des Motortauschs bekam der Lupo einen neuen Turbo spendiert. Getriebe verschliss der kleine Rote bisher drei: Das erste hielt rund 240.000 Kilometer, das zweiten kaum 50.000, weshalb es das dritte auf Ersatzteil-Garantie gab. Getriebe Nummer vier (von einem unabhängigen Spezialisten überholt) folgte rund 140.000 Kilometer später. Es verrichtet jetzt seit gut 125.000 Kilometern seinen Dienst.

Der Durchschnittsverbrauch pendelt sich seit 21 Jahren immer wieder bei 4,7 Litern ein – allerdings stets ohne ECO-Modus, um Kupplung, Getriebe und Anlasser zu schonen. Überhaupt ist schonender Umgang mit einem Lupo 3L TDI inzwischen angeraten, denn Neuteile gibt es von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht mehr. Das ist bei Verschleißteilen wie dem Druckspeicher des Gangstellers und den 3L-spezifischen Traggelenken besonders ärgerlich. Ansonsten gibt es nach all den Jahren nichts zu beanstanden. Rost an der Karosserie hatte stets externe Ursachen und die Innenausstattung sieht so aus wie bei einem Leasingrückläufer. Alle Reparaturen fallen unter Verschleiß oder Wartung und gingen angesichts der hohen Laufleistung stets in Ordnung. Obwohl ihm vor einem Vierteljahrhundert keine große Zukunft vorausgesagt wurde, behauptet sich der VW Lupo 3L TDI bis heute als solides Langzeitauto.

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