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Krupps heikle WM-Mission im Namen der Liebe

Krupp, Urmel Krupp, Urmel
Bundestrainer Uwe Krupp und WM-Maskottchen Urmel
Quelle: picture-alliance/ dpa/dpa
Als Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp vom Brustkrebs seiner Ehefrau erfuhr, wollte er hinschmeißen. Auf ihr Geheiß bleibt der 44-Jährige aber bis zur Weltmeisterschaft in Deutschland weiter im Amt. Das Abschneiden dort und der Gesundheitszustand seiner Frau entscheiden, wie es weitergeht.

Skype ist ein Segen. Die moderne Form des Telefonierens via Internet lässt Uwe Krupp, 44, mehrmals täglich zum Nulltarif die tausende Kilometer von Deutschland ins ferne Kalifornien überbrücken, die ihn und seine Ehefrau Valerie trennen. Wenigstens emotionale Reichweite braucht das seit zwölf Jahren verheiratete Paar in diesen schweren Tagen mehr denn je.

Brustkrebs im zweiten Stadium – diese erschütternde Diagnose stellten die Ärzte der 36-Jährigen vor einigen Wochen. Als er davon erfuhr, sagt Krupp, „stand für mich eines sofort fest: Ich trete zurück, denn jetzt muss ich an ihrer Seite sein.“ Der Job als Eishockey-Bundestrainer, das Nationalteam, die drei Tage später beginnende Vorbereitung auf die nahende Weltmeisterschaft im eigenen Land – all das schien mit einem Schlag bedeutungslos.

Die Welt ist eben doch keine Scheibe, auch nicht für jemand, dessen Leben sonst vom Puck bestimmt wird. „Es war ein Schock für mich“, sagt Krupp. Er flog eilends an die Westküste der USA, nach Manhattan Beach in der Nähe von Los Angeles, wo seine Frau seit drei Jahren als Journalistin arbeitet – und wo sie operiert worden ist, erfolgreich. Dank langjähriger Kontakte zur Spielergewerkschaft NHLPA hatte Krupp in Rekordzeit eine Heerschar von Spezialisten versammelt, vom Onkologen bis zum Psychologen. Der Tumor konnte vollständig entfernt, die Brust musste nicht abgenommen werden. Mit Bestrahlungen und Chemotherapie folgt jetzt das weitere Leid von Krebspatienten.

Krupp begleitet den Kampf seiner Frau aus der Ferne. Er ist nicht zurückgetreten – weil sie es so will. Valeries Haltung in dieser Frage ist unverrückbar: Ihr Mann soll, ihr Mann darf nicht hinschmeißen. Nicht jetzt, nicht ihretwegen. So ist er zurück in Deutschland, wo er sich wieder in die Arbeit stürzt, die ihm Ablenkung von sorgenvollen Gedanken rund um sein Privatleben verschafft. Noch akribischer bereitet er das Nationalteam auf die Freitag beginnende WM vor.

Der "Kontrollfreak"

Leicht fällt es ihm noch immer nicht, dass er, der als Trainer zu bestimmen gewohnt ist, folgen musste. „Ich hatte ganz schön daran zu kauen, aber als Partner ist ihr Wunsch zu akzeptieren. Sonst wäre ich kein guter Partner“, sagt Krupp, aber erst die folgende Selbsteinschätzung verrät, wie schwer dem „Kontrollfreak“ (Krupp über Krupp) die Einsicht fiel: „Ich bin sturer und hartnäckiger, als man es sich vorstellen kann.“ Der geübte Entscheider spricht von dem „Erfahrungsprozess“, dulden zu müssen, dass in diesem besonderen Fall ein anderer seinen Weg bestimmt.

Die bewundernswerte Stärke seiner Frau war zugleich ein Glücksfall für Krupps Arbeitgeber, den Deutschen Eishockey-Bund (DEB). Sein kurzfristiger Rücktritt wäre „verständlich und natürlich zu respektieren gewesen, aber für uns enorm bitter“, sagt Präsident Uwe Harnos. Menschlich ohnehin. Aber auch sportlich. Krupp ist eines der ganz wenigen Gesichter, die Eishockey hierzulande zu bieten hat.

Gewissermaßen ist Krupp der Eishockey-Klinsi, und das gewiss nicht nur, weil es epische Debatten um den Wohnsitz in seiner Wahlheimat USA gab, ehe Krupp seinen Lebensmittelpunkt ein Jahr vor der Heim-WM nach Köln verlegte.

Krupp und Klinsmann – beide sind Aushängeschilder ihrer Sportart. „Wenn Uwe den Raum betritt, bebt der Boden“, hat DEB-Generalsekretär Franz Reindl einmal festgestellt, und kaum zufällig haben sie Krupp, einem Hünen von knapp zwei Metern und 107 Kilogramm, während seiner Zeit in Nordamerika respektvoll den Spitznamen „King Kong“ verpasst. 810 Spiele hat er dort als kompromissloser Verteidiger in der Profiliga NHL bestritten, 1996 gewann er mit der Colorado Avalanche als bis heute einziger Deutscher den Stanley Cup, die Meisterschaftstrophäe. Sein 1:0-Siegtor in der Verlängerung der entscheidenden Partie verewigte ihn in den Ligaannalen.

Wie Klinsmann

Der Erfolg blieb Krupp auch nach Ende seiner aktiven Zeit treu. Wie Klinsmann hatte er vor seiner Berufung zum Bundestrainer nie eine Profimannschaft trainiert. Beide scheuten sich im neuen Amt nicht, verkrustete Strukturen radikal aufzubrechen. Im Dezember 2005 übernahm Krupp vom Amerikaner Greg Poss, der das Nationalteam in die internationale Zweitklassigkeit gerissen hatte, und korrigierte prompt und bravourös den Betriebsunfall. Mit einem vielen Betrachtern überstürzt erscheinenden Generationswechsel war der Berufseinsteiger seiner Überzeugung gefolgt und volles Risiko gegangen – es machte sich bezahlt.

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Auch in den Jahren nach dem Wiederaufstieg, 2007 und 2008, blieb Krupp der von Reindl ausgerufene „Glücksfall für das deutsche Eishockey“. Nur im vergangenen Jahr, da waren sie „alle zusammen ein wenig auf die falsche Fährte geraten“, gesteht Reindl: „Wir dachten, wir könnten mal wieder das Viertelfinale als Ziel ausrufen. Tatsächlich sind wir viel weiter weg von der Weltspitze als angenommen.“ 15. unter 16 Nationen.

Rücktrittsgedanken

„Ein Desaster“ nannte Präsident Harnos das Ergebnis, denn hieße der WM-Gastgeber 2010 nicht Deutschland, die DEB-Auswahl wäre wieder zweitklassig. An Krupp festzuhalten, stand für Harnos außer Frage: „Er macht über alle sportlichen Dellen hinaus einen guten Job, weil er nie den Mut verliert, sukzessive junge Spieler an das Nationalteam heranzuführen und Etablierte in Frage zu stellen.“ Junge Spieler, die Krupp bestens kennt. Nicht einmal der eifrige Klinsmann hätte, quasi zur Fortbildung, noch als Assistent der Nationaltrainer von U18 und U20 arbeiten wollen. Krupp tut es.

Das hohe Amt des Bundestrainers hatte er noch zu Spielerzeiten zu seinem persönlichen Karriereziel ausgerufen. Jetzt lässt Krupp offen, wie lange er für den Posten noch zur Verfügung steht: „Vier Jahre sind eine lange Zeit, egal wo du Trainer bist.“ Worte, die wie eine Rücktrittsankündigung anmuten. Erst recht nach der Erkrankung seiner Frau trägt Krupp sich mit solchen Gedanken. Aber schon vorher frustrierte ihn die Stagnation des Nationalteams auf mäßigem Niveau, die nichts als die logische Folge gegenseitiger Verweigerungshaltung bei Verband und Liga ist. Er überlegt, wie es weitergehen soll.

Das Abschneiden bei der Heim-WM wird die Entscheidung maßgeblich beeinflussen. Oberste Priorität hat die Genesung seiner Frau. Ihm dräut „ein harter Sommer im Hause Krupp“. Dann werden er und Björn, 19-jähriger Sohn aus erster Ehe, der als Verteidiger in die sportlichen Fußstapfen seines Vaters getreten ist, „Valerie die Unterstützung zukommen lassen, die sie sonst uns zukommen lässt“. Von Mensch zu Mensch, ohne Skype.

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