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Fußball Jessica Kastrop

„Ein Fußballer machte mir einen Heiratsantrag“

Chefreporter
Seit knapp drei Wochen tobt in Deutschland eine Sexismus-Debatte. Wie ist die Situation im deutschen Profifußball? TV-Moderatorin Jessica Kastrop spricht über ihre Erfahrungen und Bibiana Steinhaus.

Die Welt: Deutschland führt gerade eine Sexismus-Debatte. Wie erleben Sie das, Frau Kastrop? Sie sind täglich mit Fußballspielern zusammen, da wird die Wortwahl doch sicher rustikaler sein.

Jessica Kastrop (lacht): Oh, ja, das kann schon mal vorkommen. Ein Trainer hat einmal zu mir gesagt: „Gott sei Dank habe ich schon gegessen, sonst wäre mir bei Ihrem Anblick der Appetit vergangen.“ Also das nenne ich definitiv rustikal. Anzüglich wird es seltener, obwohl, ein Fußballer hat mir nach einem Interview einmal einen Heiratsantrag gemacht. Aber ich vermute, der war auch nicht ganz ernst gemeint.

Die Welt: Sie sind eine hübsche Blondine und waren die erste TV-Frau an der Seitenlinie. Hand aufs Herz: Wie oft wurden Sie schon angebaggert?

Kastrop: Danke für die Blumen, aber es ist nicht so, dass mir tonnenweise Telefonnummern zugesteckt werden. Ich entspreche altersmäßig ja auch nicht mehr ganz der Zielgruppe für einen Anfang Zwanzigjährigen. Da müssten wir ja schon wieder eine Sexismus-Debatte führen.

Die Welt: Würden Sie sagen, dass Sie mehr Interviews bekommen als männliche Kollegen?

Kastrop: Ich würde das Geschlecht, Achtung #Aufschrei, da nicht überbewerten. Wer gerade eine 0:5-Klatsche bekommen hat, braucht Interviews nach dem Spiel so nötig wie ein Loch im Kopf. Dem ist das dann auch ziemlich egal, ob da nun Männlein oder Weiblein steht.

Die Welt: Spaniens Nationaltorhüter Iker Casillas hat eine hübsche Reporterin vor der Kamera geküsst.

Kastrop: Oh ja, und wissen Sie was, das war kurz nachdem ich diesen Ball an den Kopf bekommen hatte, diese Szene, die dann ein Youtube-Renner wurde. Ein Schweizer Reporter hat mich gefragt, was mir lieber gewesen wäre: Der Ball an den Kopf oder der Kuss von Casillas. Ganz ehrlich: Letzterer war sicher weniger schmerzhaft...

Die Welt: Würden Sie sich mit einem Spieler oder Trainer einlassen?

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Kastrop: Fangfrage! Ich habe noch nie privat das Spielfeld auf dem grünen Rasen gesucht. Ich unterscheide auch zwischen Fußball- und Spieler-Fans. Für mich sind Fußballer und Trainer die wichtigsten Akteure in dem schönsten Spiel der Welt und meine Ansprechpartner als Journalistin. Und privat bin ich bestens versorgt, danke sehr.

Die Welt: Apropos Trainer. Haben Sie es nicht leichter mit aufbrausenden Trainern wie etwa Jürgen Klopp?

Kastrop: Jürgen Klopp ist doch wunderbar! Er sagt, was er denkt, und manchmal hat er eben sein Temperament nicht im Griff. Das erlebe ich aber in einem so emotionalen Sport durchaus als menschlich. Manchmal sollte er sich den Schiedsrichtern gegenüber etwas moderater verhalten, denn da hat er nun mal eine gewisse Vorbildfunktion inne. Es kann ja nicht sein, dass sich dann in irgendwelchen Amateurligen alle wie Rumpelstilzchen aufführen und sagen: Das macht der Kloppo doch auch!

Die Welt: Meinen Sie, er würde Ihnen auch sagen: Was für eine dumme Frage? Bei Männern tut er das.

Kastrop: Ich bemühe mich nach Kräften, die Dummheit meiner Fragen am unteren Limit zu halten. Aber ich bin mir sicher, wenn ich ihn nach dem 1:4 gegen den HSV ein „Wieso hat’s denn nicht gereicht?“ an den Kopf geworfen hätte, wäre er mir schon aufs Dach gestiegen. Zu Recht übrigens!

Die Welt: Hat schon mal jemand zu Ihnen gesagt: Das verstehen Sie nicht, Sie sind eine Frau?

Kastrop: Und blond! Vergessen Sie das nicht! Mit der Kombi kann ja auch niemand einparken, ganz klar. Es könnte allerdings sein, dass das Mitleid mit mir so groß ist, dass die Männer sich das nicht mal trauen. Vielleicht hat sich über die Dauer meiner Tätigkeit in diesem Beruf auch ein gegenseitiger Respekt eingeschlichen. Klingt verrückt, könnte aber sein.

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Die Welt: Nach Ihnen folgte eine wahre Flut an Fußball-Reporterinnen. Sie müssen Ihre Sache verdammt gut gemacht haben.

Kastrop: Zunächst einmal hat Monica Lierhaus ihre Sache sehr gut gemacht, denn ich kam nach ihr zu Sky/Premiere. Mit diesen Federn möchte ich mich nicht schmücken. Dass die Akzeptanz jetzt noch größer erscheint für uns Frauen im Fußball, freut mich außerordentlich.

Die Welt: Nicht alle machen den gleichen kompetenten Eindruck wie Sie, wenn ich ehrlich sein darf.

Kastrop: Achtung, Sexismus-Debatte! #Aufschrei! Also ich muss sagen, dass ich auf die Leistungen meiner Kolleginnen bei Sky sehr, sehr stolz bin und – um mit Hans Meyer zu sprechen: Gehen Sie davon aus, junger Mann, dass wir großen Wert auf Kompetenz legen. Einfach nur hübsch aussehen und drei vorgefertigte Fragen ablesen reicht nicht.

Die Welt: Oder kann es sein, dass Kompetenz bei Frauen keine so wichtige Rolle spielt, immerhin werden sie im Gegensatz zu Männern in Castingshows entdeckt.

Kastrop: Mein Vater hat mit mir schon die Sportschau geschaut, da konnte ich noch nicht einmal sprechen. Ich bin zwei Tage nach dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM 1974 geboren worden, Jugoslawien gegen Brasilien 0:0. Mein Papa hat den Fernseher auf die Entbindungsstation geschleppt und deshalb bin ich bereits postnatal traumatisiert worden. Die Liebe zum Spiel wurde mir quasi in die Wiege gelegt.

Die Welt: Gibt es Zickenkriege hinter den Kulissen – jetzt, da so viele Frauen die gleichen Jobs haben möchten?

Kastrop: Davon bekomme ich überhaupt nichts mit. Wissen Sie, wir reisen sehr viel, haben sehr viel zu tun und wenig Zeit für Nebenkriegsschauplätze. Außerdem ist Zickenterror kein weibliches Phänomen. Fragen Sie mal einen Filmregisseur, der kann Ihnen auch von den Rivalitäten der männlichen Schauspieler ein Lied singen: Wer hat den größeren Wohnwagen, wer steht im besseren Licht, wer hat mehr Text und wer ist bei der und der Szene präsenter. Ich erlebe das Verhältnis bei uns als sehr herzlich und kollegial.

Die Welt: Mit Christina Graf kommentierte kürzlich erstmals eine Frau ein Livespiel. Zweite Liga natürlich. Das passende Spielfeld für Frauen?

Kastrop: Ich freue mich riesig für Christina, dass sie das so toll gemacht hat. Sie stand unter wahnsinnigem Druck und hat das bravourös gemeistert. Ich war schon von ihrer Kompetenz und ihrem Timing begeistert, als ich sie im Casting gehört habe. Und dass man die ersten Schritte in der Zweiten Liga macht – daran ist nichts auszusetzen. Damit bin ich persönlich übrigens auch sehr gut gefahren.

Die Welt: Aber Bibiana Steinhaus, Deutschlands beste Schiedsrichterin, darf auch nur in der Zweiten Liga pfeifen. Wieso?

Kastrop: Für mich absolut unverständlich. Bibi MUSS in die Erste Liga! Sie hat alles, was man braucht, um ein Spiel zu leiten. Die Souveränität, das Fingerspitzengefühl und die Kompetenz. Sie hat doch längst bewiesen, dass sie die Kerle besser im Griff hat als jeder Mann!

Die Welt: Sind Frauen vielleicht einfach mit weniger zufrieden?

Kastrop: Das glaube ich nicht. Ich habe auch vier Jahre Zweite Liga moderiert und empfand das als wunderbare Schule. Außerdem mochte ich die familiäre Atmosphäre dort sehr gerne. Gut, abgesehen von Spielen wie Dresden gegen Cottbus, das hat weniger familiäre Züge. Da stand ich im alten Rudolf-Harbig-Stadion, rechts eine Hundertschaft Polizisten, links auch, bis an die Zähne bewaffnet – und wir mit dem Studio mittendrin. Eine Erfahrung fürs Leben, sage ich Ihnen.

Die Welt: Wovon träumen Sie denn?

Kastrop: Es war immer mein größter Wunsch, die Bundesliga zu moderieren, und den durfte ich mir dank Sky erfüllen. Allein den Rasen am Wochenende riechen zu können und mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben, ist für mich der gelebte Traum. Ich könnte mir noch ein Talk-Format vorstellen, denn was mich auch immer getrieben hat, war die Neugierde auf die Menschen. Es gibt noch viel zu entdecken da draußen.

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